Samstag, 12. April 2014

Gummiwechsel

Nachdem ich im Oktober den Wechsel auf Winterreifen noch einem Fachmann überlassen habe, bin ich nun nach schwindelerregenden 8000 selbstgefahrenen Kilometern schon naßforsch genug, mich da selbst ranzuwagen. Also flink einen Wagenheber mit passendem Drehmomentschlüssel besorgt, dann die Sommerräder im Kofferraum zum Parkplatz kutschiert und auf Knien herumrutschend mit der Gebrauchsanleitung des Autos nach der passenden Stelle zum Ansetzen des Wagenhebers gesucht. Das in der Skizze aufgedruckte Dreieck, welches den entscheidenden Hinweis geben soll, gibt es schon mal nicht an der dafür vorgesehenen Stelle. Aber eine leichte Verdickung der in Fahrtrichtung verlaufenden Kante. Von unerschütterlicher Risikofreude gepackt, kurbele ich das Golfilinchen mit gefährlich an Elan grenzendem Pepp munter in die Höhe.
Rad abschrauben, Rad anschrauben, fertig. Runterkurbeln, umsetzen, hochkurbeln, Rad wechseln, runterkurbeln. Der Wagenheber läßt sich mittlerweile nur noch bewegen, wenn ich die Kurbelstange umdrehe und den Griff als verlängerten Hebel benutze. Umsetzen, hoch, wechseln, runter. Ich schwitze wie ein Schwein, Jacke aus, Pullover aus, Löwenpelz bis zum Bauchnabel aufgeknöpft. Beim vierten Rad hab ich wirklich hart zu schuften, das Gewinde verformt sich zusehens und hinterläßt Metallspäne auf dem Beton. Hoch, wechseln. Beim Runterschrauben ist nun soviel Kraft notwendig, wie beim Hochschrauben am ersten Rad. Nur mühsam kann ich den Wagenheber unter dem Auto hervorholen. Als ich versuche, in so weit zusammenzuschrauben, daß er wieder in die Schachtel paßt, knackt es laut und ein Teil des Gewindes bricht von der Metallstange ab. Nur fünf Minuten früher und das Golfilinchen wäre vermutlich mit der Achse auf den Parkplatz gekracht.
Eigentlich hätte ich schon angesichts der Verarbeitung des Wagenhebers im Laden stutzig werden müssen: Welcher vernunftbegabte, talentierte Ingenieur überzieht denn ein Gewinde mit schwarzem Lack? Ein Blick auf die Verpackung löst das Rätsel: Made in China.
Da hab ich also mal wieder mächtig Schwein gehabt! Der Händler hat den Wagenheber kommentarlos zurückgenommen und auf meinen Wunsch hin gegen zwei Unterstellböcke getauscht. Die werde ich gleich im nächsten Oktober testen, wenn die Winterräder wieder an der Reihe sind. Dann hoffentlich mit einem etwas strapazierfähigeren Wagenheber.

6 Kommentare:

  1. Die Reifen wechseln sollte man in der Tat selbst, zumal sonst kaum einmal Gelegenheit besteht, den Zustand der Unterseite in Augenschein zu nehmen und hinter die inneren Kotflügel zu schauen, da sammelt sich nämlich ein schöner dauerfeuchter Dreck an. Wenn da nicht die doofe Kurbelei wäre. Es gibt aber Fahrzeuge, die dem geneigten Selbstschrauber diesen Kraftakt nicht abverlangen; nötig wäre nur ein Blick über die rosarote Golf-Brille hinaus. Folgt man dem Link autozeitung.de/classic-cars/citroen-gs-youngtimer (wenn es gestattet ist), erscheint so ein Wunderauto, mit dem man sich zur Not auch auf drei Rädern fortbewegen kann. Ein älteres Modell gebe ich zu, aber andere, jüngere können das auch und manch ein Fahrer hat schon am Ende seiner Reise feststellen dürfen, eine unbekannte Strecke mit einem Plattfuß zurückgelegt zu haben. Der französische Staatspräsident General Charles de Gaulle und seine Frau Yvonne, die in diesem Zusammenhang gerne vergessen wird, überlebten im Jahr 1962 ein Attentat, weil ihr Fahrzeug, eine Citroen DS 19, mit einem (manche Quellen sagen sogar zwei) zerschossenen Reifen nicht nur in der Lage war weiterhin geradeaus zu fahren sondern auch noch zu beschleunigen. Wurde das Fehlen eines Spurhalteassistenten nicht an anderer Stelle beanstandet? Hier wäre mal ein System, das diesen Namen tatsächlich verdient.

    Aber ich schweife ab! Reifenwechsel: Motor an, Höhenruder ganz nach hinten ziehen. GS, CX, XM, Xantia, C5 usw. gehen in die Höchststellung, die durchaus das Überqueren von Bierkisten ermöglicht. Jetzt die beiden schon vorhandenen Unterstellböcke auf einer Seite dort platzieren, wo sonst der Wagenheber angesetzt wird. Dann das Höhenruder nach vorn auf die je nach Modell Normal- oder Tiefstellung schieben. Auto macht den Lowrider, setzt sich auf die Böcke und zieht die unbelasteten Räder in die Höhe, da es die jetzt in Schieflage befindliche Fuhre in der waagrechten halten möchte. Motor aus, Reifen wechseln. Den ganzen Spaß auf der anderen Seite wiederholen. Böcke wieder einpacken. Fertig.

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  2. Unbestätigten Gerüchten zufolge soll es in Deiner Familie subversive, anonym bleiben wollende Elemente geben, die mit dem familieneigenen alten Franzosen nicht besonders glücklich sind, automatische Kurbelei hin oder her, und stattdessen lieber ein Golfilinchen hätten. Aber auch wenn ich als Ästhet einem alten Citroen, zum Beispiel in Form einer alten DDR-Staatskarosse, nicht abgeneigt wäre und mein pazifikblaues Spielmobil dann verkaufen müßte, so könnte ich das diesem subversiven, anonym bleiben wollenden Familienmitglied doch nicht zumuten. Und mir selbst auch nicht. Da kurbel ich lieber.

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  3. subversives, anonym bleiben wollendes Element24. April 2014 um 09:20

    Lieber Herr Sonniglöw !

    Mit Ihrer Vermutung liegen Sie völlig richtig, glücklich sieht anders aus!

    Waren doch schon diverse Vorgänger dieses unsäglichen Franzosen auch
    nicht mit Zuverlässigkeit gesegnet. Der eine steht zu Recht in einer Garage,
    schön weit weg wo er meinetwegen den Rest seines Daseins verbringen kann.
    Der andere wurde vor Jahren ins Jenseits befördert. Eines haben alle drei gemeinsam, sie sind inkontinent. Sogar die Feuerwehr musste einmal ausrücken
    und das Erdreich ausheben weil sämtliches Hydrauliköl im Nirvana verschwand.
    Bis heute wächst an der Stelle kein Gras. Sollte doch einmal eine längere Autofahrt geplant sein, werden zuerst entlang der Route mögliche Autowerkstätten ins Visier genommen. Ob in Kroatien, Österreich, Italien ..
    kam alles schon vor. Wie zuverlässig Ihr Golfilinchen in 10-12 Jahren noch ist,
    wer weiß das schon. Hoffentlich bleibt alles wie es im Moment ist, denn wir werden es
    noch öfters brauchen.
    Und nun raten Sie mal wo der Franzmann im Moment ist. Na wo denne?
    In der Werkstatt, wo sonst? Wäre es nicht so traurig, könnte man (Frau) direkt
    darüber lachen.

    Liebe Grüße

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  4. Da hat es sich aber ein feines Benutzernamensli zugelegt! Ich hoffe, es taucht hier nun öfter mal auf.
    Die Chancen fürs Golfilinchen, die nächsten zehn Jahre zu überstehen, stehen an sich gar nicht so schlecht, bedenkt man, daß die Kilometerleistung bei einem Jahresdurchschnitt von 6000 Kilometern dann erst bei 60.000 stehen wird. Für ein modernes, von einem Sonnenlöwen gehegtes und gepflegtes Auto nur ein Raubkatzensprung. Es sei denn, der Rost meldet sich:

    Wir fuhren nach Madagaskar
    und hatten den Rost an Bord.
    Durch die Rostlöcher spritzte das Wasser
    und wir strichen den Kahn immerfort.

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  5. Jaja, fehlen die Argumente wird es persönlich und die rohe Emotion tobt sich aus. Die „rosarote Golf-Brille“ war nicht nett, zugegeben, und die stete Inkontinenz angejahrter PSA-Produkte ist höchst ärgerlich, denn abgesehen davon scheinen sie recht robust konstruiert zu sein. Alle Flüssigkeitsverluste wurden ohne bleibende Schäden weggesteckt. Selbst als sich einmal das Kühlwasser in einer spektakulären Dampfwolke verabschiedet hat und noch acht Kilometer Autobahnbaustelle mit Fahrspuren der ganz schmalen Sorte zu durchqueren waren, musste nachher nur ein doofer Schlauch, nicht aber der Motor ersetzt oder auch nur angefasst werden. Vielleicht sind deshalb die besser ausstaffierten Modelle zusätzlich zum Wasser- auch mit einem Ölthermometer sowie allerlei Warnlampen für die Mindest-Flüssigkeitsstände ausgerüstet, die bei anderen Herstellern erst gar nicht für nötig gehalten werden. Besagter Garagenbewohner verfügt neben dem terroristengetesteten Spurhalteassistenten sogar über eine Kontroll-Lampe zur Kontrolle der roten Kontroll-Lampen. Kein Witz!

    Genug der Rechtfertigung! Vor 18 Jahren musste Jose Ignacio Lopez bei Volkswagen zurücktreten. Sechs Jahre Rostresistenz sollten inzwischen auch bei Unterbringung unter freiem Himmel kein Thema mehr sein. Nach dieser Zeit einmal die Hohlräume mit Fließfett fluten (die Vertragswerkstatt wird natürlich abraten), dann ist für viele Jahre Ruhe.

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  6. Wir sind uns doch persönlich bekannt, wie könnte es da unpersönlicher werden? (Das war doch jetzt echt mal ein Argument, nich'? Nich'?)
    Aber eine rote Kontrollampe zur Kontrolle der roten Kontrollampen? Also wenn das mal kein auffällig leuchtender Juhnicksäilspoint ist!

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