Freitag, 14. Februar 2020

Willkommen in der Großstadt!

Liebe Waldmenschinnen und Waldmenschen, willkommen in Berlin! Von wo auch immer Sie zu uns gekommen sind, ob von nah oder fern, fühlen Sie sich bitte auf das Herzlichste willkommen geheißen! Wir haben vollstes Verständnis dafür, dass Sie sich zu Hause – im Wald, im Dschungel und im Sumpf – nicht so richtig wohlgefühlt haben, denn dort ist es meist dunkel, feucht und ungemütlich. Verständlich, dass so eine schimmernd-glitzernde, hell erleuchtete Metropole wie Berlin Waldmenschen wie Sie magisch anzieht. Und das ist auch gut so, denn das macht unsere Stadt lebendig und interessant.
     Dennoch gibt es ein paar Besonderheiten, auf welche hinzuweisen uns eingeborenen Stadtmenschen ein wichtiges Anliegen ist, damit das Zusammenleben reibungslos funktioniert.

1. Berlin hat eine Ausdehnung von 45 x 38 Kilometern, eine Fläche von 1.710 Quadratkilometern, über 10.000 Straßen, Plätze und Wege mit einer Gesamtlänge von 5.419 Kilometern. Dazu kommen 3,748 Millionen Einwohner, die versorgt und bei Laune gehalten werden müssen. Das geht leider nicht ausschließlich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Und auch Fahrräder reichen da nicht aus. Autos sind also ein unverzichtbarer Bestandteil dieser Großstadt. Wir verstehen natürlich, dass der daraus resultierende Verkehr für Besucher von außerhalb verstörend und beängstigend sein kann. Aber manche Menschen gehen halt gern zu Fuß, andere fahren lieber Fahrrad oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, und der Rest nutzt eben Autos. Darum ist es auch äußerst weltfremd, diese Autos abschaffen zu wollen oder anderen Menschen vorzuschreiben, sie sollen mehr Fahrrad fahren. Wir sagen Ihnen ja auch nicht, dass Sie mehr Auto fahren sollen.

2. Staus lassen sich nicht durch die Benutzung der Hupe auflösen. Weder bei Ihnen im Wald noch hier in der Stadt. Hupen macht den Verkehr nicht flüssiger, sondern diese Stadt nur unnötig lauter. Deshalb lassen Sie bitte die Finger von der Hupe!

3. Wenn Sie auf einer Straße plötzlich merkwürdige weiße Streifen auf den Asphalt gepinselt vorfinden, so handelt es sich dabei um ein besonders geschütztes Habitat für Fußgänger, allgemein bekannt als Fußgängerüberweg. Dort müssen Sie anhalten und Menschen, welche an dieser Stelle die Fahrbahn überqueren wollen, die Vorfahrt gewähren. Oder den Vorgang, wenn Sie so wollen. Dies gilt übrigens ebenso für Radfahrer, auch wenn das anschließende Wiederanfahren mühsam ist und Kraft kostet. Also bitte nicht einfach die Augen schließen und durchrasen.
     Die merkwürdigen bunten Lichter an Kreuzungen sind übrigens Ampeln. Wenn Sie von einem roten Licht angestrahlt werden, müssen Sie stehenbleiben! Und das sollten Sie auch, denn im Gegensatz zur einzigen Kreuzung von Hinterunterkleinsttrödelingen, wo den ganzen Tag niemand vorbeikommt, gibt es an Berliner Kreuzungen tatsächlich Querverkehr, und das nicht zu knapp!

4. Wer keine Staus mag, kann auf die öffentlichen Verkehrsmittel ausweichen. Gut, zugegebenermaßen bilden sich vor den Türen der U-Bahn während des Berufsverkehrs auch öfter mal Staus. Deren CO2-Emmissionen sind aber vergleichsweise ungefährlich. In seltenen Fällen kann es jedoch mal zu unangenehmen Methangasemissionen kommen.
     Wenn Sie in die öffentlichen Verkehrsmittel einsteigen, bleiben Sie bitte nicht direkt an der Tür stehen. Im Gegensatz zum Dorfbus, den zu benutzen Sie bisher gewohnt waren, befinden sich hinter Ihnen noch weitere Fahrgäste, die das Verkehrsmittel nutzen wollen und nicht einsteigen können, wenn Sie die Türen versperren. Also bitte möglichst weit in den mittleren Bereich durchgehen.
     Wenn Sie an einer der nächsten drei Stationen aussteigen müssen, wäre es günstig, als einer der letzten Passagiere einzusteigen, sonst müssen Sie sich wieder an allen anderen vorbeidrängeln, um zur Tür zu kommen.

5. Wenn Sie eine U- oder S-Bahnstation betreten wollen und dafür die Treppen benutzen, gehen Sie bitte so weit wie möglich auf der rechten Seite! Sie müssen sich keine Sorge machen, damit ungewollt irgendwelche politischen Statements abzugeben. Es ist in Deutschland und auch in vielen anderen europäischen Ländern so geregelt, dass Menschen rechts laufen, Autos rechts fahren und Schrauben rechtsherum eingedreht werden. Das hat den Vorteil, dass man sich nicht in die Quere kommt und der Verkehr weitestgehend reibungslos läuft. Dies funktioniert übrigens in allen Metropolen der Welt, die eine U- oder S-Bahn haben – in London, Paris, New York, und sogar in Dubai, wo die U-Bahn erst seit rund zwanzig Jahren fährt. Da werden wir das in Berlin doch wohl auch hinbekommen, oder? Der linke Bereich der Treppen ist übrigens den Reisenden vorbehalten, die Ihnen entgegenkommen. Ganz schön praktisch, nicht wahr?

6. Wenn Sie Ihr Mobilfunkkommunikationsgerät, landläufig auch unter dem Begriff „Handy“ bekannt, nutzen wollen, tun Sie dies bitte so, dass Sie andere Passanten nicht behindern. Hier in Berlin schlägt der Puls etwas schneller, als vor einer kleinen Dorfbäckerei. Sie können hier nicht einfach mitten auf dem Gehweg stehenbleiben, um per Textnachricht den Daheimgebliebenen von Ihren ersten ermutigenden Schritten im Stadtleben zu berichten. Wenn Sie unbedingt gleich und sofort im Internet surfen oder mit anderen Waldbewohnern kommunizieren möchten, stellen Sie sich bitte außerhalb der Wildwechselpfade an die Seite, damit Sie nicht versehentlich unter die Hufe kommen. Denn auch Berlin ist in mancherlei Hinsicht ein Dschungel. Ein Großstadtdschungel.

     Sollten Sie mit diesen Regeln nicht zurechtkommen, wäre es für alle Beteiligten besser, Sie kehren nach Hause zurück und genießen dass ruhige Dorfleben, die frische Landluft und die herrliche Ruhe im heimatlichen Wald.
     Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Wir wünschen Ihnen nun einen vitalisierenden Aufenthalt und einen kraftvollen Tag!

2 Kommentare:

  1. Nöö, einfach nur genervt und drastisch sarkastisch!
    Sarkasmus ist übrigens die hässliche, garstige Schwester der Ironie. Und selbst die ist schon nicht besonders hübsch.

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