Donnerstag, 14. Oktober 2021

Der Zeiten Errosionen

Als ich heute früh gegen 5.30 Uhr erwachte, stellte ich neben der erstaunlichen Tatsache, einen angenehmen Traum gehabt zu haben, noch etwas anderes fest: Dass der Traum von meiner ehemaligen Traumwohnung ausgeträumt ist.      Ungefähr 2005 war ich mit meiner Wohnung im ersten Stock, die ich damals schon an die 15 Jahre bewohnt hatte, zunehmend unzufrieden. Sie war zu klein, auch zu dunkel, und ein neuer Nachbar hatte sich unter mir einquartiert, dessen nervige Lebensäußerungen ich nun ungefiltert abbekam. Zum einen hatte er einen scheußlichen Musikgeschmack, zum anderen eine scheußliche Lebensgefährtin, mit der er sich öfter mal laut vernehmlich stritt. Und außerdem war er Raucher. Sein Rauch und auch die ätzenden Dämpfe seiner Küche zogen genau in meine Fenster darüber. Ich haderte also mit meinem Leben und begab mich halbherzig auf die Suche nach einer anderen Wohnung.
     Nach ein paar Monaten traf ich zufällig im, von meinem Wohnbezirk am weitesten entfernten Berliner Stadtbezirk, einen Mitbewohner meines Hauses. Er besuchte mittags dieselbe Kantine und setzte sich zu mir an den Tisch. Wir kamen ins Gespräch, und irgendwann erzählte er, dass er zu seiner Freundin ziehen und die Wohnung aufgeben wolle. Natürlich setzte ich sofort alle Hebel in Bewegung und hatte Glück! Ich zog in meine Traumwohnung. Ein kleines Wolkenschlösschen, ganz oben, direkt unter dem Himmel. Im Sommer genoss ich die Nachmittagssonne auf dem Balkon, schaute in den Sonnenuntergang und erfreute mich mehr oder weniger meines neugewonnenen Lebens. Ein glücklicher Zufall, ein zufälliges Treffen hatte mir diesen Umzug beschert.
     Heute, fünfzehn Jahre später, ist kaum noch etwas davon übrig. Zuerst wurde der Balkon „saniert“. Was vorher steinerne Wände waren, sind nun hässliche Kunststoffplatten in kreischenden Farben. Der Himmel über mir wird verdeckt durch ein Dach. Wozu benötigt ein Balkon ein Dach? Was gibt es Schöneres, als den blauen Himmel oder nachts das glitzernde Firmament über sich?
     Die ehemals tolle Aussicht wurde zugebaut, sechs große betonale menschenverachtende Menschen­verwahrungs­behälter wurden vor meinem Balkon hochgezogen. Den schönen Sonnenuntergang haben jetzt die anderen. Und um dem ganzen Schlamassel noch die Krone aufzusetzen, hat das grausame Schicksal mir neue Nachbarn beschert. Ein Pärchen mit scheußlichem Musikgeschmack und lauten Streitereien. Und rauchen tun sie auch. Die scheußliche Musik bekomme ich übrigens inzwischen von drei Seiten.
     Ich würde so gern hier wegziehen. Wo nur bleibt mein nächster glücklicher Zufall?

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